Grün rockt, und mehr Comfort geht nicht. Ein Überblick zu den aktuellen Entwicklungen im Festivalmarkt.

Ein Kurzurlaub an der Ostsee. Mit dem Rolling Stone Weekender hat FKP Scorpio im Jahr 2009 damit begonnen, ein Konzeptfestival im breiten Repertoire seiner mehrtägigen Veranstaltungen zu etablieren. Und ist damit wegweisend für eine generelle Entwicklung auf dem Festivalmarkt.

Rolling Stone Weekender

“Die Unterbringung erfolgt in gemütlichen Apartments oder Hotelzimmern, das komplette Programm inklusive zwei Übernachtungen gibt es schon ab 129 Euro pro Person. Alle Wellness- und Sportangebote des Ferienparks sind für die Besucher verfügbar”, so in der Beschreibung auf der Homepage des RSW. Die Kinder kann man auch mitbringen. Das hat insgesamt wenig gemein mit dem Ursprung der Open Air Veranstaltungen. Funktionieren tut es trotzdem: Die vergangene Ausgabe war gut besucht, zudem wurde das Festival im vergangenen Jahr mit dem European Festival Award in der Kategorie “Best Indoor Festival” prämiert.

Spartenfestivals erleben derzeit fraglos ein Hoch. Durch ein besonderes Angebot, sei es nun durch die Buchung eines exklusiven Musikprogramms oder die außergewöhnliche Location, will man sich behaupten gegen Branchengrößen, die den 40.000-80.000 Besuchern ein Einheitsprogramm auftischen.

Doch auch dort kommt etwas in Bewegung. Während sich das Rolling Stone Weekender auf das begrenzte Klientel – vorwiegend älterer Besucher und Familien – fokussiert, wollen die Flaggschiffe FKP Scorpios – Hurricane und Southside – durch die Buchung eines breitgefächerten Musikprogramms ein heterogenes Festivalpublikum anlocken.

Skurrile Ausformungen des Etwas-Bieten-Wollens ergibt ein Blick auf die Southside Homepage, wo seit einigen Tagen ein neuer Verweis in der Navigation auffällt: “VIP Package: Southside auf Wolke 7 erleben”. Anflug mit Helicopter. Unterbringung im Aircraft Foyer – mitten auf dem Festivalgelände – und ein exklusives Dinner. Kostenpunkt: 777 Euro pro Person für die erste Nacht, 222 jede weitere. Persönliche Festivalgummistiefel stehen bereit. Sicherlich kein massentaugliches Angebot, aber ein Indiz dafür, dass Festival nicht mehr das sein soll, was man sich einmalig im jugendlichen Leichtsinn antut – und dann nie wieder.

Grüner Wohnen am CRS 2010
Grüner Wohnen am CRS 2010

Für ein breiteres Publikum vorstellbar ist dagegen das “Grüner Wohnen” Angebot, das für den Veranstalter gleich in mehrerer Hinsicht Vorteile bringt: Man stillt den Bedarf zahlreicher Besucher nach vergleichsweise sauberer und gesitteter Festivalatmosphäre und hüllt das Festival im Ganzen zusätzlich in einen grünen Schleier der Umweltfreundlichkeit. Sicherlich eine gute Sache. Erinnern wir uns an letztes Jahr: Dort trafen wir auf dem Grüner Wohnen Campingplatz auf dem Chiemsee Reggae Summer – in diesem Fall ein Versuchsfeld für andere FKP Scorpio Veranstaltungen – auf philadelpiamögende Schwarzbrotesser, deren Hauptanliegen der siff-freie Festivalplatz war. Der Versuch gelang, und bei Hurricane und Southside dürfte sich das neue Angebot wohl auch etablieren.

In eine ähnliche Richtung – wenn auch begleitet von enormer Unzufriedenheit (weil über ein zusätzliches Ticket der garantierte  Zutritt zum Wellenbrecher erstanden werden kann) – beschreitet in diesem Jahr das Frequency Festival. Ein zusätzlich zum Festivalpass erstehbares “Comfort Ticket” bietet unter anderem Folgendes: “In einem exklusiv abgesperrten Bereich am Campingplatz stehen jede Menge Zwei-Mann-Zelte bereit (Achtung: Schlafsäcke sind selbst mitzubringen oder können vor Ort erworben werden), die ihr wie ein Hotelzimmer buchen könnt”. Zugang zu VIP Parkplätzen und weitere Vorzüge verstehen sich von selbst. Die gab es schließlich auch schon im vergangenen Jahr. Und Harry Jenner, Veranstalter des Frequency Festivals, hat auch schon dezent angedeutet, dass sich ein “Grüner Wohnen” Angebot (wie bei Southside/Hurricane) auch dort vielleicht schon in diesem, sicherlich aber in den kommenden Jahren etablieren wird.

Beispiele einer generellen Entwicklung, die sich schon seit einigen Jahren abzeichnet. Veranstalter wollen sich damit einen Vorteil im direkten Vergleich zu der Konkurrenz im hart umkämpften Festivalmarkt sichern. Und den Bedürfnissen der Festivalbesucher nachkommen. Die haben sich, so zeigte es schon eine Reportage über Rock am Ring im vergangenen Jahr, verändert. Festival – ja, aber bitte mit  sauberen, wassergespülten Toiletten und Ordnung auf dem Campingplatz. Etwas überzeichnet vielleicht, aber die allgemeinen Ansprüche an ein Festival haben sich verändert.  Und dieser Entwicklung versuchen die Veranstalter zu begegnen.

Mit großen Tönen kündigte MLK mit seiner ersten Bestätigungswelle gegen Ende 2010 eine “neue Festivalära” an. Im Hinblick auf die Festivalatmosphäre wird dieser Weg derzeit fraglos beschritten. Die Innovationen präsentieren aber – zumindest in diesem Jahr – andere. Und die Entwicklung wird sich fortsetzen. Zur Freude vieler Festivalbesucher, Anwohner – und nicht zuletzt der Umwelt.

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Manuel Hofmann

Festivalaffiner Politikwissenschaftler.